Trailrunner haben immer Saison
(Mag. Gerhard Schiemer) Die letzten Wettbewerbe sind vorbei, die Wettkampfsaison zu Ende. Es ist Zeit, die Beine hochzulegen und dem Körper eine Pause zu gönnen. Aber nicht nur ...
Der „Wienrundumadum“ Anfang November ist so etwas wie der Jahresabschluss im Trail- und Ultralauf. 130 Kilometer mit (moderaten) 1.800 Höhenmetern sind an der Landesgrenze von Wien und Niederösterreich zu absolvieren, es gibt aber auch die „kurze“, „halbe“, „dreiviertel“ G’schicht, und Staffeln können auch teilnehmen. In den Tagen danach sind die sozialen Medien voll mit Fotos und Anmerkungen, und eine am meisten vernommene Aussage lautet, kurz gefasst: Jetzt ist’s aber gut für heuer.
Trailrunner im Jahresverlauf
In der Tat - Trailrunner haben im Jahresverlauf die Qual der Wahl, in Österreich geht es im März, April los, in den südlichen Nachbarländern auch schon ein paar Wochen vorher (ganz zu schweigen von der Corsa della Bora bei Triest am ersten Jännerwochenende). Umso wichtiger ist es, Zeit für Regeneration und Erholung einzuplanen. Unser Körper ist keine Maschine, und selbst wenn er es wäre, müsste er regelmäßig zum Service gebracht werden!
Doch wann ist der geeignete Zeitpunkt, um sich vorübergehend von einem strikten Trainingsplan zu verabschieden, Körper und Geist baumeln zu lassen und neue Kräfte zu sammeln? Nun ja, das sei jedem selbst überlassen, doch allgemein gesprochen würde ich sagen: jetzt!
Jeder mehr oder weniger ambitionierte Hobbyläufer macht nach jedem Wettbewerb, bei dem er (oder sie) sich die Eiweißstrukturen in den Muskeln zerstört hat, eine Regenerationspause. Gegen Jahresende, wenn aktuell kein Vorbereitungsdruck besteht, ist somit die beste Zeit, auch einmal länger durchzuatmen.
Kein Fehler ist es, 10, 14 Tage auch gar nichts zu machen, ins Kino zu gehen statt Intervalle zu ballern, sich mit Freunden zum sonntäglichen Brunch zu verabreden statt Longjogs zu absolvieren, mit dem Partner oder der Partnerin spazieren zu gehen statt Tempowechselläufe zu veranstalten. Viele sportliche und noch viel mehr außersportliche Aktivitäten, die in den vorangegangenen Monaten zu kurz gekommen sind, können in den letzten beiden Monaten des Jahres befriedigt werden. Eventuell wundern sich Personen im Umfeld der Aktiven und denken sich: Nanu, warum hat er/sie plötzlich so viel Zeit?
Mag es der Verstand wahrhaben?
Vieleicht mag es der Verstand nicht wahrhaben, vielleicht würden Sie einfach noch mehr trainieren wollen und die Vorbereitungen auf das neue Jahr bereits beginnen. Doch Körper und Kopf fordern diese Pause, ob es Ihnen nun bewusst ist oder nicht. Es zwickt da oder dort, doch in der Hochsaison werden diese leichten Schmerzen nicht oder kaum wahrgenommen: Nun besteht die Möglichkeit, sich auszukurieren. Der Kopf ist müde von der Monotonie des Flachen oder von den konzentrierten Anstrengungen auf den Trails: Nun kann er – zumindest was das Laufen angeht – auf Durchzug gestellt werden.
Aber ganz ehrlich: Nichts tun ist schwierig für jene, die gewohnt sind, sich zu bewegen. So schön und wichtig außersportliche Maßnahmen auch sind, irgendwann möchten wir alle wieder ins Tun kommen.
Trailrunner haben immer Saison. Das klingt vielleicht ernüchternd, ist aber gut so. Es hebe die Hand, wer sich in der Trainingspause keine Gedanken über die nächste Saison, die nächsten Rennen und damit einhergehend die nächsten Ziele macht. Vorauszublicken liegt in der Natur des Menschen, und ist das Ziel bekannt, kann der Weg dorthin ausfindig gemacht werden.
Doch bevor in ein spezifisches Training eingestiegen wird, sollte der Körper in seiner Gesamtheit trainiert und mit Alternativsportarten auf das nächste Niveau gebracht werden. Es liegt auf der Hand, sich an dem zu orientieren, was die Natur hergibt: Kürzere Tage machen das Fitnessstudio vorübergehend attraktiv, und der Schnee lädt zum Spielen auf und neben den Pisten ein. Es steht nämlich außer Frage, dass etwas, irgendetwas getan werden muss. Widersinnig wäre es, acht oder neun Monate fleißig zu trainieren und Rennen zu bestreiten und in den verbleibenden nur auf der faulen Haut zu liegen.
Skibergsteigen
Skibergsteigen ist das Traillaufen des Winters, und es gibt einige Stars und Sterne der Szene, die da wie dort stark unterwegs sind. Wenn RUNNING-Kolumnist Florian Grasel im Sommer vom Hochkönigman und dem UTMB postet, so sieht man im Winter auf seinem Facebook-Account Fotos von Skitouren am Schneeberg und anderswo. Martina Kirschner-Trimmel und Markus Kirschner sind ein anderes Duo, das da wie dort auf sich aufmerksam macht. Und ich selbst habe auch Tourenski und Ski im Keller und freue mich bereits, diese nun hervorholen zu können. Die Vorteile für Trailläufer liegen beim Tourengehen auf der Hand. Erstens: Man macht Höhenmeter ohne Ende. Zweitens: Man ist (in der Regel) im Grundlagenausdauerbereich unterwegs, mit gelegentlichen Spitzen. Drittens: Man beansprucht den gesamten Körper und „übt“ auch schon den Stockeinsatz. Selbstverständlich gibt es eine Reihe weiterer Alternativsportarten, wie beispielsweise Ski-Langlauf – hier sollte dem Skating der Vorzug gegenüber dem klassischen Stil gegeben werden – Schwimmen oder Ergometer-Radfahren.
Von draussen nach drinnen!
Womit wi runs von draussen nach drinnen begeben – und im Fitness-Center landen. Es ist nicht meine bevorzugte Umgebung, so ehrlich muss ich sein, doch ich sehe eine ganze Reihe von Vorteilen, in diesem Umfeld einige Wochen zu trainieren. Der wichtigste zuerst: Es regnet nicht. Aber Spaß beiseite.
Ein gut ausgestattetes Fitnessstudio bietet die Möglichkeiten, Grundlagenausdauer zu trainieren – Stichworte: Ergometer-Fahrrad oder -Rudern, Laufband, Stepper. Doch dies könnte man anderweitig auch. Die Kraftgeräte sind es, weswegen auch, oder gerade, Trailrunner regelmäßig dort vorbeischauen sollten. Traillaufen ist ein Ganzkörpersport, ein robuster Oberkörper ist Gold wert, wenn bergauf wie bergab Tempo gemacht werden soll. Sind die Stockeinsätze nicht kraftvoll, so trägt man die beiden Stecken mehr spazieren als sie als „Geschwindigkeits-Beschleuniger“ zu nutzen. Wir alle wissen, dass später, wenn die Laufumfänge wieder zunehmen, die Muskeln auch wieder schwinden. Umso wichtiger also, voll im Saft in das Frühjahr zu starten!
Krafttraining für Läufer
Krafttraining für Läufer kann sich auf lediglich acht Geräten abspielen. Mit Beinpresse, Beinbeuger (liegend), Beinstrecker und Rumpfbeuger wird hauptsächlich der Unterkörper trainiert. Klimmzüge, Rudern an der Maschine, Hyperextension, Butterflymaschine bringen den Oberkörper in Form. Nach jeder Serie können Stabilisations- oder Gleichgewichtsübungen eingeschoben werden, drei Serien mit 80–85 % Belastung reichen dann für eine Trainingseinheit für einen Hobbysportler auch schon aus. Ansonsten ist das Fitnessstudio ein Treffpunkt sozialer Natur, an der Gesundheitsbar
kann man mit anderen Bewegungsbegeisterten Erfahrungen austauschen und vielleicht den einen oder anderen interessanten Aspekt mitnehmen.
Doch allzu viel gewöhnen sollten Sie sich nicht an das Interieur, denn das Leben spielt sich draußen ab. Die Trails rufen, die Höhenmeter warten, die Startplätze für die nächsten Wettbewerbe sind vielleicht auch schon gebucht, und der nächste Wienrundumadum ist auch nur mehr zehn, elf Monate entfernt.
Einmal geht jede Zwischensaison zu Ende. Sie ist wichtiger als man glaubt und gehört genutzt. Für eine Hauptsaison voller körperlicher und mentaler Kraft.