Vizekanzler Werner Kogler (Grüne)
Corona hat natürlich auch vor dem Laufsport und seinen Veranstaltungen nicht Halt gemacht. Viele Events wurden bereits abgesagt, andere hoffen noch. Zu Recht? Diese und andere Fragen stellten RUNNING-Leserinnen und -Leser an Sportminister Vizekanzler Werner Kogler.
Werner Kogler: Wie geht es mit dem (Lauf)Sport weiter?
Nici Nicole: Werden Veranstaltungen wie Kärnten Läuft, Wachau Marathon, Graz Marathon, 3-Länder-Marathon oder der Wolfgangseelauf stattfinden können? Man muss sich auf diese Events ja über Monate gezielt vorbereiten und läuft sie nicht aus dem Stand heraus.
Werner Kogler: Vor sechs, sieben Wochen hätte ich gesagt – no way. Wir als Team Österreich, bestehend aus der Bundesregierung und den Menschen, die in diesem Land leben, waren bis dato aber höchst erfolgreich im Eindämmen der Epidemie. Demzufolge werden wir gemeinsam mit dem für diese Fragen zuständigen Gesundheitsministerium Ende Juni bzw. Anfang Juli die nächsten Lockerungsschritte bekanntgeben können. Auf der anderen Seite glaube ich schon, dass uns die Abstandsregeln über den Sommer hinaus begleiten werden. Schließlich befinden wir uns – weltweit betrachtet – nach wie vor in einer gigantischen Gesundheitskrise. Für Laufbewerbe mit mehreren tausend TeilnehmerInnen stellt sich die Frage: Wie will man die Einhaltung dieser Abstandsregel im Startbereich, im üblicherweise dichten Gedränge der ersten Rennphase, bei Überholmanövern etc. gewährleisten?
Lizza Weissenbacher: Ab wann und unter welchen Bedingungen ist die Durchführung „kleiner“ Laufbewerbe frühestens denkbar?
Werner Kogler: Kleinere Laufbewerbe mit bis zu 100 TeilnehmerInnen sind nicht nur denkbar, sondern jetzt schon durchführbar. Das Areal im Startbereich muss eben entsprechend großzügig, die Straße für Überholmanöver breit genug sein, um den Abstand von zwei Metern einhalten zu können. Die VeranstalterInnen legen hier im Übrigen viel Kreativität an den Tag, wie die Anfragen, die uns im Sportministerium erreichen, zeigen. Die Palette reicht von Einzelstarts mit Intervallen bis zur Teilung der Starterfelder nach Beginnzeiten, die bisweilen über den ganzen Tag verteilt sind, damit sich nicht zu viele Sportlerinnen und Sportler zur gleichen Zeit an und auf der Strecke aufhalten.
Sophie Ehgartner: Muss man auch 2021 noch mit Einschränkungen im Laufsport – besonders bei den Frühjahrs-Großevents wie dem Vienna City Marathon, dem Linz-Marathon und dem Österreichischen Frauenlauf – rechnen, falls es noch keine Impfung/ Therapie gegen COVID-19 gibt?
Werner Kogler: Sorry, ich besitze immer noch keine Glaskugel. Aber so gut wie alle Expertinnen und Experten sind sich darin einig, dass das Virus weder von selbst verschwinden noch an Gefährlichkeit einbüßen wird. Demgemäß ist durchaus wahrscheinlich, dass bis zur Zulassung einer Impfung für Veranstaltungen dieser Größenordnung Einschränkungen gelten werden. Das können zum Beispiel Abstandsregeln, Hygienemaßnahmen, vor allem aber auch Reisebeschränkungen sein. Gerade diese Ein- und Ausreisebestimmungen sind ein zentrales Thema in meinem regelmäßigen Austausch mit den zuständigen Ressorts, dem Innen- und Außenministerium. Insofern – ja, die Veranstalter sind gut beraten, Szenarien dieser Art in ihre Planungen einzubeziehen.
Franz Szinovatz: Wird die stufenweise Öffnung im Kulturbereich 1:1 auf den Laufveranstaltungsbereich umgelegt? Falls nein, warum sollte die Ansteckungsgefahr im Startbereich eines Rennens höher sein als im vollen Eingangsfoyer eines Theaters/ Konzertsaals?
Werner Kogler: Das Öffnen im Kulturbereich erfolgt im Gleichklang mit Sport- und damit auch Laufveranstaltungen. Ich bin im Übrigen kein großer Freund solcher Vergleiche. Bei Konzerten und Theatervorführungen können die Besucherströme etwa durch ein intelligentes Einlassmanagement wirkungsvoll kanalisiert werden, zudem ist bei großen Menschenansammlungen auch nach Mitte Juni ein Mund-Nasen-Schutz empfo len. Ein Marathon, wie wir ihn kennen, lebt hingegen vom Massenstart, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ist auch nicht praktikabel. Ich möchte aber, egal ob in- oder outdoor, schon darauf hinweisen, dass es auch Unterschiede gibt, nachdem der Startschuss gefallen ist bzw. der Vorhang hochgezogen wurde. Das Ein- und Ausatemverhalten bei einem Langstreckenlauf ist doch ein völlig anderes als beim in der Regel recht passiven Konsum eines Theaterstückes. Nicht alles ist mit allem vergleichbar, und doch versucht das zuständige Gesundheitsministerium bei den Lockerungsmaßnahmen, wo immer es geht, synchron vorzugehen.
Klaus Nöckler: Könnte nicht nach der Corona-Krise ein bahnbrechendes Projekt in jeder österreichischen Gemeinde gestartet werden, wo (wieder) Fitness-Parcours, auf Alter/Leistungslevel abgestimmt, in besonders schönen Landstrichen errichtet werden!?
Werner Kogler: Bei mir läuft man mit allem, was die Menschen zu mehr Bewegung motiviert, offene Türen ein. Zweifellos eine lohnende Idee, aber keine, die das Bundesministerium für Sport verordnen könnte. Fitness-Parcours sind öffentliche Sportstätten, über deren Errichtung die jeweilige Gemeinde entscheidet, für deren Erhaltung sie Sorge trägt. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass sich das Sportministerium gerne in den Dienst einer solchen Kampagne stellt, sollte in dieser Frage breiter Konsens herrschen.
Monika Zaun: Welche Unterstützung erhalten die Veranstalter der diversen abgesagten Laufveranstaltungen? Viele habe ja bereits Nenngelder kassiert, die nun zurückgezahlt werden müssen(?), auch sind ja schon Ausgaben bei den Veranstaltern angefallen, die ohne Einkünfte gar nicht gedeckt sind.
Werner Kogler: Das hängt naturgemäß davon ab, um wen es sich bei dem Veranstalter handelt. Ein gemeinnütziger Verein wird einen Antrag auf Fixkostenzuschuss im Unterstützungsfonds für Non-Profit-Organisationen stellen können. Ein gewerblicher, gewinnorientierter Veranstalter wird – je nach Größe – im Härtefallfonds oder unter gewissen Voraussetzungen im Corona-Hilfsfonds für Unternehmen Unterstützung bekommen. Dort wie da, ich sage das ganz offen, wird es aber schwierig sein, 100 Prozent des Schadens zu ersetzen. Eine Tatsache, die Wirtschaftsbetriebe genauso betrifft.
Es ist wahrscheinlich, dass bis zur Zulassung einer Impfung für Veranstaltungen wie den VCM Einschränkungen gelten werden.
Pascal Pils: Warum wird gerade in der schönen Zeit und nach Wochen des de facto „Nicht-bewegen-Könnens/Sollens“ der Schulsport „verboten“ und auf den Turnunterricht verzichtet?
Werner Kogler: Natürlich habe ich dem zuständigen Bildungsminister deutlich gemacht, dass ich den Verzicht auf Bewegungseinheiten für kontraproduktiv halte. Zumal Turnunterricht ja nicht zwangsläufig in einem Turnsaal stattfinden muss, der derzeit in vielen Fällen tatsächlich anderweitig genutzt wird. Es wäre aber nicht gerecht, den Bildungsminister grundsätzlich als bewegungsfeindlich hinzustellen. Was ich ihm hoch anrechne: Er zeigt sich gegenüber einer Forderung des Sports aufgeschlossen, die über viele Jahre vergeblich erhoben wurde: Schulsportstätten auch an schulfreien Tagen für Sportvereine zu öffnen. Die Entscheidungen der letzten Tage zeigen, dass bei ihm ein Nachdenkprozess eingesetzt hat. Auch wenn wir noch ein großes Stück vom Idealzustand entfernt sind. Es ist – im doppelten Wortsinn – zumindest Bewegung in die Sache gekommen